Full-Site Editing in WordPress 5.9

WordPress 5.9: Warum ist Full-Site Editing so wichtig?

WordPress 5.9 ist nicht irgend ein Update. Mit dieser Version wird das sogenannte Full-Site Editing (FSE) eingeführt, ein wichtiger Meilenstein im «Gutenberg»-Projekt. Dank Full-Site Editing kann man mit dem Block Editor nicht mehr bloss Seiteninhalte, sondern die komplette Website bearbeiten – so wie man dies bisher nur von Page Builders kannte. Ist jetzt der Moment gekommen, um sich von den Page Builders zu verabschieden?

Über viele Jahre konnten Content Managers die Inhalte von WordPress Websites nur minimal gestalten. Sie hatten lediglich einen einfachen Editor zur Verfügung, mit dem sie Texte einpflegen, Schriften formatieren, Überschriften definieren, Aufzählungen erstellen und Bilder einfügen konnten. Für Tabellen brauchte man bereits HTML-Kenntnisse (oder ein Plug-in), und dasselbe galt für komplexere Inhaltselemente oder gar mehrspaltige Layouts.

WordPress Classic Editor
Der Classic Editor in WordPress: bewährt, aber beschränkt

Der WordPress Block Editor

Der mit WordPress 5.0 offiziell eingeführte Block Editor (besser bekannt als Gutenberg Editor) hat diesbezüglich viel verändert. Nun haben Content Editors eine grosse Auswahl an Blöcken zur Verfügung. Ein einzelner Block kann sowohl ein ganz normaler Textabsatz als auch ein komplexes Element wie eine Tabelle, eine Bildergalerie oder ein Kästchen mit Text, Bild und Button sein. Diese Blöcke können zudem in mehreren Spalten angeordnet und zu sogenannten Block Patterns kombiniert werden.

WordPress Block Editor
Mit WordPress 5.0 eingeführt: der Block Editor «Gutenberg»

Mit dem Block Editor ist WordPress ein modernes CMS geworden – mit einer wichtigen Einschränkung: Noch immer kann man damit nur den Content-Bereich einer Seite bewirtschaften – nicht aber den Kopfbereich (Header), den Fussbereich (Footer) oder die Randspalte (Sidebar). Im Sidebar und im Footer gibt es lediglich die Widgets, und auch der Inhalt des Headers ist über den Customizer nur punktuell veränderbar.

Schema: Webseite mit Header, Content, Sidebar und Footer
Der typische Aufbau einer Website in WordPress

Page Builders für WordPress

Page Builders wie Divi, Elementor oder Beaver Builder haben die Defizite von WordPress schon vor Jahren erkannt und geschickt kompensiert. Diese Plug-ins bieten umfassende Gestaltungsmöglichkeiten ohne Programmierkenntnisse und stellen zudem eine breite Palette an häufig benötigten Modulen zur Verfügung. Dies beschleunigt insbesondere die Produktion und Bewirtschaftung von durchschnittlich komplexen Websites enorm.

Allerdings sind diese Page Builders auf WordPress aufgepfropft, und das spürt man. Die Benutzerführung des Gesamtsystems ist nicht aus einem Guss, es kommt zu Problemen mit einzelnen Plug-ins, und auch die Ladezeiten verschlechtern sich. Zudem sind diese Page Builders untereinander inkompatibel – wenn man sich für einen entschieden hat, dann muss man auch dabei bleiben.

Project Gutenberg

Insofern ist es überfällig, dass mit dem «Project Gutenberg» endlich die Modernisierung des WordPress-Basissystems vorangetrieben wird. Dieses auf mehrere Jahre angelegte Projekt hat vier Phasen:

Phase 1 betrifft die Modernisierung des Content Managements, und diese ist inzwischen weit fortgeschritten. Der Block Editor wurde in den drei Jahren seit seiner Einführung intensiv weiterentwickelt und ist inzwischen eine hervorragende Alternative zum Classic Editor (den man sich aber in Form eines Plug-ins noch immer installieren kann, wenn man will).

Mit WordPress 5.9 geht das Project Gutenberg nun in die Phase 2, die auf das Full-Site Editing fokussiert. Im Kern geht es darum, dass sämtliche Bereiche einer Website über den Block Editor bearbeitet werden können. Dies betrifft nicht nur Header und Footer, sondern auch Spezialseiten wie die Übersicht der Blog-Artikel, die Suchresultate oder die Fehlerseite (Error 404). Bisher musste man Templates programmieren können, um das zu erreichen – oder man benutzte einen Page Builder.

In der Phase 3 sollen dann Mechanismen zur Kollaboration und in Phase 4 die Mehrsprachigkeit eingeführt werden. Dazu gibt es aber noch kaum Informationen.

Full-Site Editing ganz konkret

Wie manifestiert sich denn nun dieses Full-Site Editing im WordPress Backend? Das Ganze spielt sich unter dem Punkt «Design» ab. Wenn Sie eine bestehende WordPress-Installation haben, dann wird dieses Untermenü wahrscheinlich auch nach dem Update auf WordPress 5.9 genau so aussehen wie immer. Falls Sie hingegen ein Theme benutzen, welches Full-Site Editing unterstützt (beispielsweise das neue Standard-Theme Twenty Twenty-Two), dann sieht dieses Menü plötzlich ganz anders aus.

Design-Menü im WordPress Backend mit und ohne Block Theme
Das «Design»-Menü bei einem konventionellen Theme (links) und einem Block Theme mit Full-Site Editing (rechts)

Bereits dieses Untermenü macht deutlich, dass der Site Editor, eine ganze Reihe von vertrauten Konzepten und Werkzeugen ersetzt. Theme Customizer, Widget Editor und Menu Editor sind verschwunden – die entsprechenden Bearbeitungsmöglichkeiten sind aber weiterhin vorhanden, einfach eingebettet in das Full-Site Editing.

Wenn Sie den Site Editor öffnen, dann sehen Sie die Startseite Ihrer Website – oder genauer: das Template, welches das Layout Ihrer Startseite definiert. Dieses Template können Sie direkt mit dem Block Editor bearbeiten, d.h. sie können sowohl im Header als auch im Footer beliebige Blöcke einfügen. Über den neuen Block «Navigation» kann man Menüs erstellen und an beliebiger Stelle positionieren. Die Widgets (beispielsweise die Liste der neusten Blog-Beiträge) stehen nun als ganz normale Blöcke zur Verfügung. Somit wird klar, warum es die bisherigen Editoren für Menüs und Widgets nicht mehr braucht.

Site Editor in WordPress 5.9
Der neue Site Editor in WordPress 5.9 erlaubt es, Templates visuell zu bearbeiten statt zu programmieren

Auch für den Customizer gibt es einen Ersatz: die Global Styles, die über einen Tab in der rechten Randspalte zugänglich sind. Hier kann man nicht nur global gültige Einstellungen für Typografie, Farben und Layout vornehmen, sondern auch Standardwerte für die einzelnen Block-Typen vorgeben.

Im Site Editor kann man nicht nur das Startseiten-Template, sondern jedes beliebige Template bearbeiten – die Auswahl trifft man über die linke, dunkle Randspalte. Auch Template-Teile werden hier verwaltet: Diese fügt man wie Blöcke in Templates ein, und sie sind eine grosse Hilfe, um modulare Layout zu erstellen.

Gerade für langjährige WordPress-Benutzer*innen ist das Ganze sehr ungewohnt. Wer aber bereits Erfahrung mit dem Block Editor hat, findet sich im Site Editor schnell zurecht, weil dieser letztlich genau gleich funktioniert. Eine Herausforderung sind komplexere Blöcke wie «Navigation» und vor allem «Abfrage-Loop» (erzeugt eine Liste mit Blog-Beiträgen). Zudem braucht man ein grundlegendes Verständnis davon, wann bei WordPress welches Template zur Anwendung kommt. Aber zumindest den Header und den Footer mit dem neuen Site Editor umzugestalten lernt man innert kurzer Zeit.

Somit bietet WordPress nun endlich das, was auch die eingangs erwähnten Page Builders bieten – zumindest theoretisch. Denn genau so wie damals der Block Editor so muss auch der Site Editor zuerst noch reifen. Nicht von ungefähr ist er unübersehbar als «Beta» gekennzeichnet.

Fazit: Wichtig – aber nicht dringend

Es gibt also im Moment keinen Grund, eine bestehende Website sofort auf Full-Site Editing umzustellen und den bisherigen Page Builder auszumustern. Die Page Builders haben inzwischen einen Reifegrad erreicht, den WordPress 5.9 noch nicht bieten kann, und sie dürften uns noch längere Zeit erhalten bleiben. Ausserdem ist eine solche Umstellung kein einfaches Unterfangen und läuft auf einen Neubau der Website hinaus.

Hinzu kommt, dass Full-Site Editing nur mit dafür vorbereiteten Themes (sogenannte Block Themes) funktioniert. Davon gab es Ende Januar 2022 erst ein paar Dutzend im offiziellen Themes-Verzeichnis. Zumindest wer kein eigenes Design implementieren sondern ein fixfertiges Theme nutzen möchte, hat derzeit noch wenig Auswahl.

Andererseits wäre es ein Fehler, das Full-Site Editing zu ignorieren. Nach dem Block Editor von WordPress 5.0 ist der Site Editor von WordPress 5.9 der zweite wichtige Meilenstein im Project Gutenberg. Die aktuelle Version des Full-Site Editings mag noch einigermassen nüchtern und reduziert daherkommen, aber das wird sich ändern: Genau wie der Block Editor wird auch der Site Editor kontinuierlich weiterentwickelt werden.

Wer heute eine neue Website plant, sollte sich deshalb gut überlegen, ob es nicht der Moment wäre, ganz auf den WordPress Core zu setzen und auf einen Page Builder zu verzichten. Der Umstieg könnte zwar noch etwas hoprig werden, aber mittelfristig sind die Vorteile bezüglich Performance und Kompatibilität unbestreitbar.

Notebook-Computer mit der Website wordpress.org

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